Das Orakel von Ostfildern

Veröffentlicht am: 14.12.2018

Wir begeben uns in das antike Griechenland zum Orakel von Delphi. Die Weissagungsstätte befand sich am Hang des Parnass bei der Stadt Delphi in der Landschaft Phokis. Die Kultstätte von Delphi mit dem Orakel war die wichtigste der hellenischen Welt und bestand bis in die Spätantike. Delphi galt lange Zeit sogar als Mittelpunkt der Welt. Auf die kultische Verehrung der Gaia ist es zurückzuführen, dass Apollon nicht durch einen Priester, sondern durch die Pythia sprach. Diese saß auf einem Dreifuß über einer Erdspalte. Der Überlieferung nach stiegen aus dieser Erdspalte Dämpfe, die die Pythia in einen Trancezustand versetzten.

In einem ähnlichen Trancezustand dürften sich unsere lieben Verlagskollegen vom Deutschen Drucker befunden haben, als sie sich entschlossen, eine sogenannte Executive Veranstaltung zu organisieren mit dem Ziel, Marketing- und Presseverantwortliche aus der Industrie über die 100 besten Kommunikationskanäle der Branche (Print und Online, Fachzeitschriften, Influencer, Kommunikationsagenturen) – inklusive der eigenen versteht sich – zu informieren. Das ist deswegen befremdlich, da sich ein Marktbegleiter anmaßt, über andere Medienunternehmen der Branche eine Bewertung und ein Urteil abzugeben. Das alles im Vorfeld der drupa und anderer Großveranstaltungen, um wohl angesichts schwindender Umsätze rechtzeitig Maßnahmen zu setzen. In unserem Verlag und auch bei anderen traf keine Anfrage ein mit der Bitte, entsprechende Unterlagen zur Darstellung des Leistungsportfolios zur Verfügung zu stellen. Bleibt daher die berechtigte Frage, aus welchen Quellen die Pythia in Ostfildern ihr (neutrales) Wissen genommen hat. Ich darf diese Aktion wohltreffend als „extrem uncool“ bezeichnen. Der Lydierkönig Krösus befragte einst das Orakel von Delphi, ob er gegen die Perser in die Schlacht ziehen sollte. Das Orakel antwortet ihm: „Du wirst ein großes Land zerstören.“ Zu spät erkannte Krösus die Zweideutigkeit und verlor sein eigenes Reich. Bleibt also zu hoffen, dass die orakelnden Ostfildener sich ebenso mit ihrer „Bewertung“ vertan haben.

Herzlichst Ihr

Michael Seidl
m.seidl@europeanmediagroup.at

Kommentar

Der Affront von Adobe

Mit der Headline „Papier adé: Den Druck rausnehmen“ versandte Adobe am 16. Februar eine Meldung an Medienvertreter, die es in sich hat und die Druckindustrie inhaltlich herausfordert. Der Softwarekonzern, der wohlgemerkt mit dieser großgeworden ist, schreibt wie folgt:

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