Julius Deutschbauer: 30 Jahre Plakate zu sehen im MAK

Veröffentlicht am: 16-03-2023

Seit 30 Jahren verunsichert Julius Deutschbauer mit seinen im Eigenauftrag gestalteten Plakaten das Stadtbild Wiens. Anlässlich dieses Jubiläums präsentiert das MAK in einer dichten Schau im MAK Kunstblättersaal alle bisher entstandenen 208 Plakate.

 

Zudem lädt man ab 29. März zu einer Vielzahl an performativen Veranstaltungen in seine seit 1997 weit gereiste und ständig ergänzte Bibliothek ungelesener Bücher. Ob als Träger sozialer Interventionen, politischer Befindlichkeiten aller Couleur oder schlichtweg als Konsumanregung – gute Plakate lassen niemanden kalt. Unmittelbarer als jedes andere Medium tragen sie ihre Message als grafisches Konzentrat in die Öffentlichkeit. Julius Deutschbauer weiß dies in seinen Arbeiten zu nutzen. Als permanenter Beobachter gesellschaftlicher Entwicklungen verwendet Julius Deutschbauer das Medium Plakat, um seine künstlerische Arbeit öffentlichkeitswirksam zu transportieren. Die Kamera ist dabei sein Zeuge und zeigt Deutschbauer selbst immer ernst blickend mit Texten und Kommentaren zu Ausstellungen, Performances, Festivals. Seine Selbstinszenierung steigert er teilweise bis zur Peinlichkeit und lässt den Betrachtern stets gegenpolige Interpretationsmöglichkeiten offen.
Immer beschäftigt er sich mit Fragen der Politik, insbesondere der Kulturpolitik, der Sprache und den Medien. Seine „Happenings“ lassen sich in der klassischen Form des Plakatierens im öffentlichen Raum kaum festmachen. In fingierten Doppelconférencen wirbt er beispielsweise mit seinem Künstlerkollegen Gerhard Spring in einer Art homoerotischer Pose für ihr neuestes Buch (Zwiealoge, 2006) oder schlüpft in die Rolle von Franz Morak, Ioan Holender oder Peter Weibel und führt ihre Dialoge szenisch auf. Bei seinen Rollenspielen geht es weniger um die Charaktere der einzelnen Personen als vielmehr um deren Funktionen, die in satirisch positivem, überaffirmiertem Sinne hervorgehoben und dargestellt werden. Dabei trifft Deutschbauer durch seine Paraphrasen den Nerv des Subversiven und liefert eine messerscharfe gesellschaftliche Analyse. Das Thema ist meist ein spezifisch politisches und mehr noch ein Spiegel der Befindlichkeit der österreichischen Seele. Kabarettistische Züge treffen dabei mit realsatirischer Gesellschaftskritik zusammen; manchmal auch unter der Gürtellinie – und nicht selten bleibt das Lachen im Hals stecken. In jedem Fall regen seine Arbeiten die Betrachter an, sich durch Reflexion mit der Wirklichkeit auseinanderzusetzen.
Deutschbauer bedient sich – 2001 bis 2008 in Zusammenarbeit mit Gerhard Spring – unterschiedlichster Soziotypen, um seine Anliegen aufzuzeigen: des Mannes am Würstelstand (Widerstandl, 2001), der Kirche (Bergpredigt, 2005), des Mittelständlers (Wer jetzt kein Haus hat…, 2020) oder des Bobos im Anzug (Antirassismusvergnügungspark, 2016). Ikonografisch lehnt er sich an populäre Strömungen der Kunstgeschichte an, wie etwa Gilbert & George (Tausendundkeine Idee, 2004), Joseph Beuys (Ein Aus Zug, 2001), Erwin Wurm mit seinen One-Minute-Sculptures (Wurmfortsatz, 2002) oder Carl Spitzweg (Der einsame Schlucker, 2007). Deutschbauer geht es dabei nicht um den künstlerischen Aspekt, sondern um dessen Zitat. Seine Arbeiten lassen sich in kein kunsthistorisches Korsett zwängen, er ist weder Künstler noch Grafiker noch Schriftsteller noch Werbetexter noch Filmer noch Performer, aber letztendlich doch alles zusammen in Personalunion.
Sprache und Bild sind gleichbedeutend in Deutschbauers Arbeit, fast logisch erscheint daher seine Initiative der Bibliothek ungelesener Bücher. Seit 26 Jahren interviewt er als Bibliothekar (im grauen Arbeitsmantel) Leser zu Büchern, die in aller Munde sind, aber kaum gelesen wurden, und die sie selbst auch nicht gelesen haben. Spitzenreiter ist die Bibel, dicht gefolgt von Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften. Die fast 800 Objekte umfassende Bibliothek ungelesener Bücher wurde in unzähligen Veranstaltungen in unterschiedlichsten Städten durch ungelesene Bücher und Audiofiles der Interviews zusammengetragen. Anlässlich der MAK Ausstellung wird in einem umfangreichen Rahmenprogramm zu einer Lesung und zu einem Konzert mit Gerhard Rühm und Monika Lichtenfels, einer Lesedemo mit Peter Waterhouse und Lesen und Handarbeiten im Zirkel mit Ann Cotten und Anna Baar eingeladen und die Sammlung dadurch angereichert.
Julius Deutschbauer, geboren 1961 in Klagenfurt, lebt als Performer, bildender und Plakatkünstler, Filmer und Autor in Wien. 2001–2008 Zusammenarbeit mit Gerhard Spring. 2008 Gründung der Performancegruppe „Theater des Verhinderns“. Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland, Performances und Theateraufführungen. Seit 1997 betreibt Deutschbauer die Bibliothek ungelesener Bücher (www.bibliothek-ungelesener-buecher.com).

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