Frontalangriff auf Papier, Karton und Wellpappe

Veröffentlicht am: 15.07.2023

Die österreichische Papier-, Karton- und Wellpappeindustrie kritisiert die pauschale Bevorzugung von wiederverwendbaren Verpackungen gegenüber tatsächlich recycelten Papierprodukten im aktuellen Entwurf für eine europäische Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (PPWR) scharf.

 

Neben ökologischen und wirtschaftlichen Argumenten, die für Recycling als gleichwertige Lösung sprechen, verzerren vor allem die verpflichtenden Mehrwegquoten den Wettbewerb und greifen massiv in eine funktionierende Kreislaufwirtschaft ein. Aus diesem Grund haben nun die Vertreter der vier Branchenorganisationen Austropapier, PROPAK, Forum Wellpappe und ProCarton, ein gemeinsames Positionspapier verfasst, dass sich vehement gegen die Pläne aus Brüssel richtet.
Die österreichische Papierwirtschaft gehört seit Jahrzehnten zu den absoluten Vorreitern bei Nachhaltigkeitsthemen im Sinne der Bioökonomie und hat gemeinsam mit der gesamten Wertschöpfungskette Papier, Wellpappe und Karton maßgeblich dazu beigetragen, dass die heimische Kreislaufwirtschaft europaweit führend ist. Die Sammel- und Verwertungsquote für Verpackungen aus Papier, Karton und Wellpappe beträgt in Österreich 85 Prozent. Austropapier als Interessenvertretung der 23 heimischen Papier- und Zellstoffproduzenten begrüßt ausdrücklich, dass Kreislaufwirtschaft neben Dekarbonisierung ganz oben auf der Agenda der EU im Rahmen des Green Deals steht und auch im Entwurf der europäischen Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (PPWR) Einzug hält. „Bedauerlicherweise fehlt im aktuellen Entwurf jedoch ein eindeutiges Bekenntnis, dass mehrere Wege zur Zielerreichung der Klimaneutralität Europas bis 2050 als gleichwertig angesehen werden,“ erklärt Austropapier-Präsident Martin Zahlbruckner und kritisiert die Bevorzugung von fossilbasierten Reuse-Produkten gegenüber den recyclingfähigen und erneuerbaren faserbasierten Verpackungen: „Es muss von der EU berücksichtigt werden, aus welchen Materialien die Verpackungen bestehen und ob funktionierende Systeme vorhanden sind, die Kreislaufwirtschaft sicherstellen.” Papier- und Pappfasern, die im Papierkreislauf recycelt werden, sind hochwertige europäische Sekundärrohstoffe, die Primärrohstoffe ersetzen können und die laut einer Studie der TU Graz mindestens 25mal verwendet werden können.

Massive Wettbewerbsverzerrung befürchtet
Der Fachverband PROPAK und die Vereinigung PROPAK Austria als Vertreter der industriellen Hersteller von Verpackungen aus Papier, Karton und Wellpappe können eine pauschale Bevorzugung von fossilen Reuse-Verpackungen nicht nachvollziehen: „Wir unterstützen die EU-Ziele, doch ohne Not ein perfekt funktionierendes Kreislaufsystem in Frage zu stellen und Reuse einen pauschalen Vorrang einzuräumen, ist der falsche Weg und bedroht Teile der Branche nachhaltig,“ warnt PROPAK-Obmann Georg Dieter Fischer. Besonders problematisch sieht die Branche die von der EU in der PPWR geforderten Reuse-Quoten, die keine sinnvolle Koexistenz mit recyceltem Papier, Karton oder Wellpappe möglich machen.
„Die im Entwurf vorgesehenen verpflichtenden Quoten stehen diametral zu den Plänen der EU für eine funktionierende europäische Kreislaufwirtschaft im Sinne des Green Deal“, kritisiert Stephan Kaar, Sprecher des Forum Wellpappe Austria. Verpflichtende Quoten für alle Verpackungsarten würden den freien Wettbewerb im Binnenmarkt gravierend einschränken und einen signifikanten Anteil von erneuerbaren und recyclingfähigen Papier-, Karton- und Wellpappe-Verpackungen durch Materialien aus fossilen Rohstoffen ersetzen.

Höhere Kosten und Umweltbelastung durch Reuse
Auch aus wissenschaftlicher Sicht gibt es keine nachvollziehbare Begründung für eine Bevorzugung von fossilbasierten Reuse-Produkten. Der europäische Wellpappenverband FEFCO hat errechnet, dass 8,1 Milliarden neue Kunststoffboxen bis 2040 auf den Markt gebracht werden müssen, wenn die geplanten verpflichtenden Reuse-Quoten erfüllt werden sollen. Das ist nicht im Sinne des Green Deals und unterwandert den eingeschlagenen Weg der Dekarbonisierung. Reuse-Verpackungen werden aufgrund der höheren Transport- und Reinigungskosten im Vergleich zu recycelten Papiererzeugnissen viel höhere CO2-Emissionen verursachen und darüber hinaus deutlich teurer sein. Für fossile Reuse-Verpackungen hat eine aktuelle McKinsey-Studie eine bis zu 150 Prozent höhere CO2-Belastung und bis zu 200 Prozent höhere Kosten errechnet, die direkt an die Kunden weitergegeben werden müssen. Eine Umstellung auf Reuse statt Recycling würde zudem den Wasserverbrauch drastisch erhöhen.
„Auch eine Verpflichtung zu geschlossenen Produktkreisläufen wäre für Papier absolut nicht, da es einer der größten Vorteile des Papierrecyclings ist, aus lokalen Altpapiersammlungen ganz unterschiedliche Produkte je nach Bedarf an Ort und Stelle wiederherstellen zu können“ erklärt Pro Carton-Director General Horst Bittermann und warnt bei einer Umsetzung vor steigender Belastung für die Umwelt: „Die Konsequenz wäre ein massiver Transportanstieg von Verpackungen für die stoffliche Verwertung in ganz Europa und exorbitante zusätzliche und unnötige CO2-Emssionen.“
Austropapier-Präsident Martin Zahlbruckner, PROPAK-Obmann Georg Dieter Fischer, Pro Carton-Director General Horst Bittermann und Forum Wellpappe Austria-Sprecher Stephan Kaar appellieren an ein Umdenken der EU vor dem Abstimmungsprozess: „Alle ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Argumente führen eine Bevorzugung fossiler Verpackungen ad absurdum und legen eine gleichwertige Lösung nahe. Nur mit einer Gleichbehandlung von nachhaltigen Papier- Karton und Wellpappe-Erzeugnissen kann die weitere Dekarbonisierung im Sinne des Green Deal gelingen.“

   
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