In Memoriam Erich Lessing

Veröffentlicht am: 11.09.2018

Eine Fotografenlegende hat am 29. August 2018 im Alter von 95 Jahren ihre Kamera für immer weggelegt. Erich Lessings Bilder haben Österreich und die Welt nach 1945 aufgerüttelt, erfreut und belehrt.

Lessings Bilder zeigen, wie wichtig gute Fotografie für eine Gesellschaft ist, deren Belanglosigkeit und bildmäßiger Analphabetismus durch das Handy dominiert wird. Bilder von der Unterzeichnung des Staatsvertrags, vom Ungarnaufstand, den Alliierten in Österreich, Herbert von Karajan, seine Landschaftsbilder aus Israel bei seiner letzten Ausstellung im Jüdischen Museum am „Lessingplatz“ und seine Bücher über Joseph Haydn sind sein Vermächtnis. Zahlreiche Gespräche mit ihm und seine Einstellung zur Fotografie werden mir immer in Erinnerung bleiben.1923 als Sohn jüdischer Eltern in Wien geboren, konnte er mit 16 Jahren fliehen. Seine komplette Familie wurde Opfer der Nazis. Lessing schaffte es nach Palästina, war dort Taxifahrer und begann zu fotografieren. 1947 kehrte er nach Wien zurück – eigentlich wollte er nach Berlin – und wurde da zu einer Institution. Er begann seinen Job bei einer amerikanischen Fotoagentur. 1951 wurde er Mitglied von Magnum Photos, der Fotoagentur schlechthin.
Er schrieb Geschichten mit Bildern, aber auch in Worten. Eine Vielzahl von Fotobüchern entstanden mit Lessings Bildern. Seine Werke über Herbert von Karajan, Joseph Haydn, das Odysseus-Epos und die Gemälde des Louvre sind bereits legendär. Sein riesiges Fotoarchiv mit 60.000 Bildern hat er der Nationalbibliothek vermacht. Trotzdem hat er noch im hohen Alter ein Fotogeschäft im Zentrum Wiens gegründet, welches ein Ort des Bildes wurde, in dem ich oft verweilte oder die Auslagen studierte.
Hier ein Auszug aus einem Interview, das ich mit Erich Lessing im Jahr 2008 im Leopold Museum führte:
Wo liegt Ihre besondere Liebe in der Fotografie?
Respekt vor dem Menschen zu haben und die richtige Beziehung zu ihm. Menschen waren immer mein Lieblingsthema. Meine große Stärke war, dass ich mit Menschen gut umgehen konnte, dass ich immer ganz nah an die Menschen herangekommen bin. Schließlich hat mir sogar Adenauer als einzigen Fotografen erlaubt ihn in der Kirche zu fotografieren, als er vor einem Altar kniete.
Was würden Sie also einem jungen Fotografen heute raten?
Schuhe putzen lernen. Spaß beiseite. Ich kann nur raten Tag und Nacht zu arbeiten, und wenn man wirklich Tag und Nacht vom Fotografieren träumt, dann ist dies richtig. Aber das Feld ist klein und die Konkurrenz riesig. Früher konnte man noch zwölf Seiten in Zeitungen und Magazinen füllen, heute bleiben, wie bei der Geschichte Österreichs mit Oscar Bronner, kaum 50 Bilder von 1.000 über.
Das war Erich Lessing. Wir alle werden ihn, seine Stimme und seine Bilder vermissen.
Prof. Dr. Werner Sobotka

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