Sabine Geldermann, Director drupa: Wir sind Menschen und keine Avatare

Veröffentlicht am: 25.03.2020

Mitte März wurde die Verschiebung der Weltleitmesse drupa aufgrund der exponentiellen Ausbreitung des Coronavirus auf den 20. bis 30. April 2021 verkündet. Director drupa und Global Head Print Technologies der Messe Düsseldorf, Sabine Geldermann, antwortet nun auf Fragen, die die Print-Branche beschäftigen.

Frau Geldermann, was war der ausschlaggebende Faktor für die Messe Düsseldorf, die drupa zu verschieben?
Mit der Verschiebung folgte die Messe Düsseldorf der Empfehlung des Krisenstabs der deutschen Bundesregierung, bei der Risikobewertung von Großveranstaltungen die Prinzipien des Robert Koch-Instituts zu berücksichtigen. Aufgrund dieser Empfehlung und der zuletzt deutlich gestiegenen Zahl von Infizierten mit dem neuen Coronavirus (SARS-CoV-2) auch in Europa hat die Messe Düsseldorf die Lage neu bewertet. Hinzu kommt die Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt Düsseldorf vom 11. März 2020, in der Großveranstaltungen mit mehr als 1.000 gleichzeitig anwesenden Teilnehmern generell untersagt werden. Vor diesem Hintergrund gab es leider keine andere Option als die Verlegung der drupa.

Aufgrund welcher Kriterien haben Sie den neuen Termin festgelegt?
Das Jahr 2020 wäre „unter normalen Umständen“ eine Messe-Rallye für die Messe Düsseldorf gewesen, denn von August vergangenen Jahres bis kommenden Juni hätten nahezu alle großen Düsseldorfer Weltleitmessen stattfinden sollen – mit der drupa als Finale. Durch den Einfluss des Coronavirus und den damit verbundenen behördlichen Erlässen bzw. Restriktionen wurden bereits sieben für dieses Frühjahr geplante Fachmessen in das zweite Halbjahr 2020 und in das Frühjahr 2021 verschoben. Da wir für die drupa aufgrund von Aufbau, Laufzeit und Abbau ein Zeitfenster von rund zwei Monaten benötigen, gab es nur begrenzte Optionen. Der gewählte Termin vom 20. bis 30. April 2021 ist nach Abwägung aller Parameter und mit Blick auf den internationalen Messekalender der frühest- und bestmögliche, den wir gemeinsam mit unserem Präsidenten und dem VDMA als Trägerverband abgestimmt haben. Dieser Termin ermöglicht nun unter den aktuellen Umständen die größtmögliche Planungssicherheit für alle Beteiligten. Erfreulicherweise liegen wir damit nun auch wieder in einem ähnlichen Zeitfenster wie der ursprüngliche, traditionelle Maitermin der drupa, der sich in der Branche weithin etabliert hat.

Foto: Sabine Geldermann, Director drupa und Global Head Print Technologies der Messe Düsseldorf. © Messe Düsseldorf GmbH

Wie hat die Druckindustrie auf die Entscheidung reagiert?
Die gegenwärtige Situation trifft sämtliche Branchen weltweit in ungeahnter Weise, und die Auswirkungen des Coronavirus haben bereits jetzt drastische Einflüsse auf das öffentliche und wirtschaftliche Leben. Wie in anderen Branchen spürt die Print-Brache dies auch in Form von Kurzarbeit, Produktionsstillstand und Lieferengpässen – auf nationaler und globaler Ebene. In dieser Situation gehen jedoch bei allen die Gesundheit und der Schutz von Mitarbeitern und Partnern vor. Die Reaktion unserer internationalen Kunden und Partner auf die Verschiebung war daher durchweg positiv und ist uneingeschränkt auf großes Verständnis sowie hohe Akzeptanz gestoßen. Drei Monate vor dem regulär geplanten Start der drupa konnten wir somit vielen Ausstellern zum jetzigen Zeitpunkt noch die Chance gegeben, ihre bevorstehenden logistischen und sehr kostenintensiven Maßnahmen wie z.B. die Verschiffungen von Maschinen umplanen zu können.
Die zahlreichen emotionalen Feedbacks dazu auf unseren sozialen Netzwerken und Plattformen haben uns sehr gefreut. Eines ist sicher: Die Branche wünscht sich erneut eine drupa, die ihren Nimbus, die Strahlkraft und ihren weltweiten Stellenwert behält – das wäre unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht realisierbar gewesen. Deshalb werden wir nun alle Maßnahmen ergreifen, um im April 2021 diese Erwartungshaltung unserer weltweiten Kunden zu erfüllen – let’s embrace the future in 2021 together!

Aussteller arbeiten mit ihren Neuheiten traditionell auf den drupa-Termin hin: Vieles ist nun für Juni fertig; Aussteller wollen nicht darauf warten, ihren Kunden die neuen Produkte vorzustellen. Sieht sich die drupa jetzt konfrontiert mit alternativen, virtuellen Präsentationsformaten?
Unsere Aussteller werden sicherlich bereits in diesem Jahr einige ihrer Innovationen präsentieren und hierfür unterschiedliche Formate wie Kundenevents oder digitale Plattformen nutzen. Diese können den aktuell entstandenen Bedarf jedoch nur überbrücken – einen vollumfänglichen Ersatz für eine Fachmesse mit weltweiter Strahlkraft bieten diese aus unserer Sicht jedoch nicht. Die drupa stellt für die Branchenteilnehmer eine unverzichtbare Plattform dar, die Orientierung, Impulse und vor allem den Bedarf nach Face-to-Face-Meetings und Erlebniswelten in hohem Maße erfüllt. Es geht um menschliche Bedürfnisse, haptische Erlebnisse und laufende Maschinen, die Teilnehmer faszinieren, und die an der Stelle definitiv nicht über digitale Medien befriedigt werden können. Was Weltleitmessen wie die drupa ausmacht, ist die geballte Energie, die aus der punktuellen Zusammenkunft von vielen Menschen erwächst; der persönliche und emotionale Austausch; die gemeinsame Präsenz von Entscheidern, Multiplikatoren und Ideengebern; angeregte Diskussionen; taktgebende Präsentationen; Zufallsbegegnungen; Akquisemöglichkeiten von Neukunden; Recruitingoptionen…
Gerade in der aktuellen Situation, in der zahlreiche europäische Länder in ungeahnten Restriktionen verharren, wird der Bedarf nach persönlichen Begegnungen und einem außergewöhnlichem Kundenerlebnis nach einer solchen Erfahrung sicherlich in Zukunft noch ausgeprägter sein. Wir sind Menschen und keine Avatare – und der Wunsch nach persönlichem Austausch, Wissenstransfer und Netzwerken in einem faszinierenden Ambiente ist trotz aller digitalen Formate ungebrochen. Deshalb ist es grandios zu sehen, dass bereits jetzt zahlreiche Key Accounts den Leitspruch „let’s embrace the future in 2021 together“ prägen.

Wie kann sich die Branche Ihrer Meinung nach gegen den Einbruch wappnen, der durch die Pandemie ausgelöst wird?
Ohne Frage wird es Einbrüche und nachhaltige wirtschaftliche Rückschläge geben. Die Maßnahmenpakte und Hilfen vonseiten der Regierungen sind auf den Weg gebracht. Wichtig ist jedoch, dass die Industrie keinen kompletten Produktionsstillstand durch die aktuellen Maßnahmen erfährt. Unsere Branche muss weiterhin in die Zukunft investieren, um Chancen am Markt zu ergreifen, denn Print ist in seinen so facettenreichen und umfangreichen Applikationen und Anwendungsformen in zahlreichen Märkten auch zukünftig unverzichtbar. Der Austausch von Branchenteilnehmern und die notwendige Inspiration sind dafür maßgebliche Mittel, die auf Weltleitmessen wie der drupa gelebt und zukunftsfähig eingeführt werden.

Welche Einschnitte bedeutet die Verschiebung für die drupa 2021?
Die Verschiebung stellt für alle Beteiligten ein neues, nie dagewesenes Szenario dar und verlangt ein gewisses Maß an Flexibilität. Wir werden wie auch bisher alle Maßnahmen ergreifen, um den erfolgreichen aktuellen Status der drupa auf den neuen Termin in 2021 zu übertragen. Unser Bestreben und Wunsch ist es, für unsere weltweiten Kunden auch in 2021 eine erneut einzigartige und erfolgreiche drupa zu veranstalten.

Hat das Rahmenprogramm weiter Bestand?
Unser Rahmenprogramm der fünf Sonderforen hat bereits zum jetzigen Zeitpunkt durch ein faszinierendes Spektrum an Formaten, renommierten Speakern und spannenden Themenfeldern beeindruckt. Oberste Priorität ist es, unseren Besuchern hoch relevante, inspirierende und nachhaltig wertvolle Inhalte zu bieten. Das Vortragsprogramm wird durch Guided Tours abgerundet und war bereits über unser Portal für Buchungen verfügbar. Unser Bestreben liegt nun natürlich darin, das Programm soweit wie möglich auf den Termin im April anzupassen und zu übertragen. Signifikante Fragestellungen zur weiter voranschreitenden digitalen Transformation, Themen rund um Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit oder neue Geschäftsmodelle, die in Form von Keynotes, Panel Discussions und Best Cases präsentiert werden, verfolgen wir nach wie vor, um Unternehmen zu inspirieren und erfolgreich zu beraten – und dies wird nach den Auswirkungen von Corona relevanter sein denn je.

Welche Auswirkungen hat die Verschiebung auf die Satelliten?
Auswirkungen der Verlegung auf unser Portfolio „Printing Technologies“ und damit auf Auslandsmessen der Messe Düsseldorf sehen wir aktuell nicht. Aufgrund der Verschiebung der drupa avanciert die wichtigste Fachmesse in unserem internationalen Portfolio, die All in Print China in Shanghai im Oktober zur größten und bedeutendsten Print-Messe in 2020. Damit bieten wir unseren internationalen Ausstellern noch eine hoch relevante Fachmesse in Asien in diesem Jahr. Darüber hinaus wird die PPP Manila im Oktober eine zusätzliche Plattform in einem aufstrebenden südostasiatischen Markt bieten. Und auch die indoprint in Jakarta, geplant für September 2020 wird – nach aktuellem Stand – planmäßig stattfinden. Natürlich beobachten wir auch hier gemeinsam mit unseren Niederlassungen der Messe Düsseldorf China und Messe Düsseldorf Asia sowie beteiligten Partnern aufmerksam die Lage in Sachen Coronavirus und werden bei Bedarf rechtzeitig handeln. Hierzu halten wir über unsere diversen Plattformen den Kontakt zu unseren Kunden und stehen mit unseren Auslandsvertretungen und meinem Team in Düsseldorf für alle Fragen zur Verfügung.

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