Was ist los beim Branchenprimus?

Veröffentlicht am: 15.05.2024

Jürgen Otto (59) wird zum ersten Juli 2024 neuer Vorstandsvorsitzender der Heidelberger Druckmaschinen AG. Er folgt damit auf Dr. Ludwin Monz, der sein Amt als Vorstandsvorsitzender zum Ablauf des 30. Juni 2024 auf eigenen Wunsch im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat niederlegt und aus dem Vorstand von Heidelberg ausscheiden wird.

 

 

Diese wenigen Zeilen bedeuten für Heidelberg in Wirklichkeit ein Desaster, wenn so etwas vor einer drupa passiert. Bei der drupa-Mediaweek Ende März präsentierte das Unternehmen seine Vorstellungen seiner Präsenz in Düsseldorf. Wie sich aus heutiger Sicht darstellt, war es offensichtlich die letzte Gelegenheit, den nun scheidenden medienscheuen CEO Ludwin Monz aus nächster Nähe zu sehen beziehungsweise hatten wir wohl die letzte Möglichkeit ein Interview zu führen. Und dieses war genauso farblos und stereotyp wie die Präsentation zuvor selbst. Man hatte beim Gespräch das Gefühl, dass da „irgendwie der Dampf“ draußen war. Nun wissen wir warum.
Ludwin Monz folgte am ersten April 2022 dem scheidenden Vorgänger Rainer Hundsdörfer nach, verlor wenig später den CFO Marcus A. Wassenberg, der ab ersten Jänner 2023 durch Tania von der Goltz ersetzt wurde. Von Beginn seines Wirkens war es klar: er war nicht der große Kommunikator, den man sich erwartet hatte und Heidelberg in schwierigen Zeiten vonnöten hätte. Die Scheu sich mit Journalisten zu treffen war bald bekannt, ebenso wie seine verhaltene interne Kommunikation. Immer wieder hörte man bei Heidelberg, dass man sich mehr Kommunikation vom CEO wünschen würde. Ein Beispiel gefällig? Im ersten Quartal 2023 publizierte Heidelberg rund vier oder fünf Presseaussendungen (zwei davon für die Ladestationen), während Wettbewerber Koenig und Bauer im selben Zeitraum rund 12 Aussendungen hatte. Wir fragten seinerzeit bei Heidelberg in der Presseabteilung nach und da hieß es, dass der neue CEO nicht zu viel kommunizieren wolle.
Der Aufsichtsratsvorsitzende, Dr. Martin Sonnenschein, kommentierte den Abgang wie folgt: „Wir bedauern den Entschluss von Dr. Ludwin Monz, Heidelberg zu verlassen, sehr. Er hat unser Unternehmen strategisch und operativ entscheidend vorangebracht und damit unser Fundament in einem schwierigen Marktumfeld gestärkt.“ Nun, auch wenn man in solchen Fällen ein gewisses Maß an Höflichkeit einhalten soll, so klingen die Worte des Aufsichtsratsvorsitzenden wie die Message aus einer anderen Welt. Nichts läuft rund bei Heidelberg, das ist die Realität. Auch wenn Ludwin Monz, wie auch die CEO‘s zuvor, immer ein Erbe des Vorgängers übernehmen, wusste er von Beginn an, auf was er sich da einlässt. Das Handelsblatt wunderte sich 2022, wie andere Wirtschaftsmedien, über die Entscheidung. Zugunsten von Heidelberg verließ Ludwin Monz die gut dotierte Position bei Carl Zeiss Meditec, ein High-tech Unternehmen, dass er seit 2010 gut geführt hatte. Apropos Dotierung: im Geschäftsjahr 2022/2023 erhielt Ludwin Monz eine Gesamtvergütung von 1,711 Millionen Euro plus Aktienprogramm. Bernhard Schreier erhielt im Jahr 2009/2010 für ein seinerzeit wesentlich größeres Unternehmen lediglich 756.000 Euro, Aktienprogramm plus eine entsprechende Altersversorgung. Der ausgeschiedene Rainer Hundsdörfer bekam zum Abschied 1,420 Millionen Euro zur Abgeltung seiner erworbenen betrieblichen Altersversorgungsansprüche und Dr. Gerold Linzbach 22.000 Euro ebenso für die Altersversorgung. Alt-CEO Bernhard Schreier bekam im abgelaufenen Geschäftsjahr noch 442.000 Euro im Rahmen seiner Altersversorgung ausbezahlt.

Auf Rückzug eingestellt
Heidelberg ist seit Jahren in Wirklichkeit auf Rückzug eingestellt und genau das ist die fatale Situation, wenn man auch über die Zukunft des Unternehmens diskutieren möchte. Das „Dream-Team“ Hundsdörfer und Wassermann hatte begonnen, die letzten wertvollen Dinge zu versilbern. Unternehmen, Grundstücke und Immobilien (Print Media Academy beispielsweise) wurden verkauft, um die Bilanzen und möglicherweise eigenen Gehälter, zu verschönern. Digitaldruck (Prime Fire) als auch Offset-Großformat wurden eingestellt und in Wirklichkeit für die Zukunft nichts getan. Um nicht zu vergessen, der geplatzte Verkauf von gallus an Benpac reiht sich nahtlos in die glorreiche Serie ein. Ach ja, und der Standort Wiesloch gehört zur Hälfte auch nicht mehr zu Heidelberg, sondern Projektentwicklern und Developern.

Zur drupa nichts Neues
Bei seinem Amtsantritt hat Ludwin Monz ein Unternehmen vorgefunden, dass mental down war und hier hätte man ansetzen müssen. Leider passierte das Gegenteil… die Heidelberger bauen nach wie vor wunderbare Druckmaschinen und präsentieren die neue Peak Performance Klasse als Neuheit auf der drupa, obwohl ja schon einige Maschinen im Feld stehen. Diese adressiert die High-end Anwender im Akzidenz- und Verpackungsmarkt, der wie bei vielen anderen Anbietern auch hoch im Kurs steht. Dann wird man noch Lösungen im Bereich Automatisierung, Workflow etc. zeigen und das war es dann auch schon. Von Heidelberg wird zur drupa nicht mehr kommen und man darf die Frage stellen, was zeigt man der Zielgruppe des Unternehmens, mit denen Heidelberg groß geworden ist. Die kleineren und mittleren Unternehmen werde nicht viel zu sehen bekommen, außer Digitaldruck von Ricoh. Wir fragten Ludwin Monz beim Gespräch im März ob die Branche sich nicht doch ein „Vorhang auf“ Erlebnis bei Heidelberg auf der drupa erwarten können. Seine Antwort: „Wo denken Sie hin, wenn wir so etwas hätten, dann wären wir nicht auf dieser Konferenz.“ Alles klar…

Die Krankjammerer
Es mangelt bei Heidelberg seit Jahren an einer Zukunftsstrategie. Der leider kürzlich verstorbene Gerold Linzbach hatte eine Vision erdacht und aufgrund seiner Erkrankung nicht umsetzen können. Danach kam Hundsdörfer, der Rest ist bekannt. Fast gebetsmühlenartig predigt man seit Jahren, dass sich die Branche verändere und man sich darauf einstellen und anpassen soll. Das passiert bei Heidelberg leider in Rückzugsaktionen und Durchhalteparolen. Marktbegleiter haben sich in diesem Umfeld hingegen neu aufgestellt und ausgerichtet.
Die Situation erinnert mich an meine Bundesheerzeit in der Grundausbildung zum Sanitäter. Bei den Übungen haben wir immer Lazarettplätze aufgebaut und beim Abbau hieß es dann immer: Rückzug. Als ich mal fragte, warum wir uns eigentlich immer zurückziehen und nicht vielleicht einmal nach vorne gehen, erntete ich von meinem Lieblings-Unteroffizier ein müdes Lächeln und zwei Wochenenddienste. Eventuell gibt es noch gute Geister bei Heidelberg, die das Unternehmen voranbringen wollen, aber möglicherweise nicht gehört werden. Und der „Verfall“ geht weiter. Kürzlich wurde das Projekt des Drucks von gedruckter Elektronik ausgelagert und die Digitalplattform Zaikio, deren Aufbau Millionen gekostet hat, sang und klanglos liquidiert. Es wäre interessant zu wissen, wie die Partner der Plattform nun darüber denken. Langjährige Manager von Heidelberg in verschiedenen Ländern schütteln seit Monaten nur mehr mit dem Kopf, wenn neue Befehle/Anordnungen von der Zentrale kommen. „Management by Excel“ ist die Devise und praktisch kaum mehr umsetzbar.

Heidelberg wieder erlebbar machen
Und nun? „Mit Jürgen Otto gewinnen wir eine ausgewiesene Führungspersönlichkeit. Mit seiner Erfahrung und seinem Netzwerk werden wir Heidelberg weiter konsequent auf die Zukunft ausrichten, die Ertragskraft steigern und unsere bedeutende Technologiekompetenz in der Druck- und Verpackungsindustrie und darüber hinaus noch weiter stärken“, so Heidelberg Aufsichtsratschef Dr. Martin Sonnenschein.“ Diese Formulierungen sind praktisch Wiederholungen aus den vergangenen Jahren und was wird Jürgen Otto nun machen? Die Heidelberger stöhnen jetzt schon unter den massiven Kosteneinsparungen, Anpassungen und „Performanceverbesserungen“. Viel geht da nicht mehr, ohne dass die Belegschaft unruhig wird. Teile davon sind seit Monaten in der Kurzarbeit. Unterstützung bekommt der neue CEO im Vorstand nun durch Dr. David Schmedding, der sich um die Bereiche Vertrieb und Service kümmern wird. Tania von der Goltz bleibt dem Unternehmen als Finanzvorständin erhalten.
Man darf gespannt sein, wie sich die neue Führung zur drupa präsentieren wird. Auf jeden Fall wäre wieder mehr Kundennähe angesagt. Die CEO’s der Wettbewerber sind beispielsweise ganz nahe dran und treffen Kunden regelmäßig zum Meinungsaustausch. Nur so kann man spüren, wie der Markt tickt. Der Alt-CEO Bernhard Schreier hatte dies intensiv betrieben. Ebenso waren Vorstände wie Stephan Plenz, Jürgen Rautert oder Marcel Kiessling immer nahe dran am Markt. Dieses Heidelberg „spüren“, sollte das neue Management ganz oben in der Prioritätenliste ansetzen. Wenn das nicht gelingt, dann soll man sich um das Unternehmen große Sorgen machen. Der aktuelle Aktienkurs spricht Bände…
Im Bild von l.n.r.: der neue CEO CEO Jürgen Otto, der scheidende CEO Dr. Ludwin Monz und das neues Vorstandsmitglied Dr. David Schmedding. © Heidelberg

Kommentar

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Die drupa 2024 hat alle Erwartungen übertroffen, mit einer deutlichen Verschiebung in der langjährigen Debatte um digitale versus analoge Technologien. Es war eine harmonische Mischung aus Digital und Analog „Powered by Automation“.

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